Kanada 6
Edmonton - Québec
(7. – 30. September - 2024)
(Geschrieben von Flinke Feder vom 12. September – 12. Oktober 2024, redigiert vom grün gefiederten Papageienvogel; dem Ara)
(Die Red.) Das Abenteuer von der Zugreise quer durch Kanada wird hier im Reisemagazin «Leise Reisen» ausführlich beschrieben.
Canada 6
Edmonton - Québec
(September 7. – 30. 2024)
(Written by Power Pen from September 12. to October 12. 2024, edited by the green-feathered parrot bird, the macaw)
(The editors) The adventure of the train journey across Canada is described in detail here in the travel magazine "Gravel Travel".
Zug verspätet
Flinke Feder (FF): Was passierte bei der Abfahrt in Edmonton?
David Brandenberger (DB): Einiges oder eben nicht. Ich kam nach einem endlos langen Fussmarsch, diesmal vollbeladen mit meinem Gepäck, beim Bahnhof an, checkte schleunigst ein und kaufte die weiteren Zugtickets. Erst daraufhin kam mir in den Sinn, dass ich die Esswaren im grossen Rucksack liess, jenes schon eingecheckt war. Ich hatte nur die Salate, Kartoffelsalat und Hummus dabei, die ich unter diesen Umständen rationieren musste. Zeit hatte ich genügend, denn der Zug verspätete sich bereits um drei Stunden.
FF: Was hast du in dieser Zeit angestellt?
DB: Einen der Salate gegessen und anschliessend mit einem jungen deutschen Paar geplaudert, um die Zeit totzuschlagen. Als der Zug eingefahren war, dauerte es wiederum lange, bis wir zusteigen konnten. Da die erste Klasse und die Liegewagenklasse früher hineinsteigen durften, verzog ich mich kurz auf das Klo. Kaum war ich am (das wird zensuriert) ertönt die Durchsage, dass die Economyklasse vorgezogen wird und wir einsteigen sollen. Da geh’ ich einmal aufs Klo!
FF: Wann fuhr der Zug los?
DB: Erst um 23.40 Uhr anstelle um acht Uhr. Wenigstens richtete ich mich in einem Zweierabteil gemütlich ein, da es nicht so viele Passagiere hatte. Mit aufgeklappter Fussstütze ergibt sich so eine kleine Fläche, auf der zu schlafen gedenkt, ist – oder zu versuchen ist. Das Gerüttel und das Gehupe der Lokomotive, die sich gleich vorne dran befindet, vereitelt den Versuch. Irgendwie hatte ich doch geschlafen und wachte am nächsten Morgen um sieben Uhr auf.
FF: Die Fahrt dauerte weiterhin den ganzen Tag. Was hast du da angerichtet?
DB: Die Prärie angeschaut, ab und zu in den Panoramawagen die Aussicht von dort angeguckt und die Blogs schon einmal in die Tasten gehaut. In Saskatoon und Melville vertraten wir bei einem kurzen Halt die Füsse.
FF: Kamst du pünktlich an?
Winnipeg
DB: Was glaubst du Flinke? Wir sind in Kanada und nicht in Japan. Mit 2 ½ Stunden Verspätung hat der Zug wenigstens eine Stunde eingeholt, aber es war schon lange nach Mitternacht. Ein Taxi brachte mich zur Unterkunft, ein Homestay bei einer Chinesin.
FF: Wie ist Winnipeg?
DB: Wie jede nordamerikanische Grossstadt. Einige Hochhäuser im Zentrum und viele Häuser darum herum. Da die Museen und Galerien montags geschlossen waren, bin ich durch die Strassen geschlendert und habe die Ansichten der Stadt abgeklappert. Abends füllte ich in einem äthiopischen Restaurant mit einer extrem leckeren Veggie-Combo den Magen.
FF: Was stand in den nächsten Tagen auf deinem Programm?
DB: Das kanadische Museum für die Menschenrechte. Ein architektonisch ausserordentlich ansprechender Bau leitet durch die massenhaft lehrreichen Informationen. Daneben wird der Genozid an den Armeniern und das Massaker in Srebrenica beleuchtet. Vieles dreht sich um die kanadische Geschichte und die Missachtung der Menschenrechte der indigenen Bevölkerung.
FF: Fehlte dir etwas?
DB: Vieles! Amnesty International, die Menschenrechtsorganisation schlechthin, wird mit keinem Wort erwähnt. Andernfalls sogar die Apartheid in Südafrika und Israel, die Missstände in Nordkorea, China, Kuba und, und, und… Eine aktuelle Sonderausstellung widmet sich der Menschenrechte in der Musik. Doch selbst hier fehlt vieles, wie zum Beispiel das Free Nelson Mandela Konzert oder die Protestsongs aus den 80ern.
FF: Was waren weitere Ansichten?
DB: Im Assiniboine Park fotografierte ich die Skulpturen von Leo Mol im Abendlicht und ein paar Blumen im Englischen Garten. Das Kunstmuseum zeigt überraschenderweise eine Anzahl von alten Stücken, erwartungskonform einige Werke der «Group of Seven» (Gruppe der Sieben) und eine aufschlussreiche Auswahl indigener Kunst. Das sind überwiegend Schnitzereien aus Stein, Knochen und Walrosszähnen.
FF: Wann hast du den Zug nach Toronto genommen?
Toronto
DB: Am Mittwochabend fand ich mich beim Bahnhof ein. Diesmal packte ich die Esswaren vorher in die Tasche. Die Verspätung betrug aktuell 2 ½ Stunden und ich fläzte mich in ein weiteres Zweierabteil für die nächsten 37 Stunden. In der ersten Nacht habe ich wenig geschlafen. Am Tag guckte ich die aus Birken und Tannenbäumen bestehende Landschaft an, in der einige Seen hervorschauen. Die Zeit nutzte ich ebenfalls, um die Blogs zu schreiben und einzutippen. Ab und zu schüttelte es dermassen, dass ich aufgab.
FF: Wie war die zweite Nacht?
DB: Nicht wesentlich besser bezüglich des Schlafs, aber der Zug hat die Verspätung eingeholt und sich so beeilt, dass wir sogar mehr als zwei Stunden vor dem Fahrplan in Toronto ankamen. Darum hat es im Übrigen so gerüttelt.
FF: Was hast du in Toronto unternommen?
DB: Diesen Stopp habe ich ursprünglich eingelegt, um zur US-Grenze zu fahren, um dort einen Freund zu treffen. Das hat aber leider nicht funktioniert und so vertrieb ich die Zeit anders. Ich klapperte alle Plattenläden ab, um das soeben erschienene Stryper Album zu kaufen, doch habe es nirgends gefunden. Daneben besuchte ich das Museum für zeitgenössische Kunst, um mir durchgeknalltes Zeug anzuschauen. Sonst schlenderte ich durch die Strassen, um mir das Flair zugutezukommen lassen.
FF: Ist Toronto anders?
DB: Anders als Edmonton, Winnipeg und dergleichen. Die Häuser stehen zwar dichtgedrängt, aber kleinformatig individuell gestaltete Vorgärtchen strahlen einen ungewohnten Charme aus. Daneben sind in einigen Vierteln ein kleiner Laden neben dem nächsten zu finden, was eine eigene Stimmung ausstrahlt. Klar ist das Zentrum mit den Hochhäusern genauso steril, wie überall. Trotzdem flanieren hier zahlreiche Leute durch die Strassen.
FF: Wie war die Fahrt von Toronto nach Ottawa?
DB: Natürlich erheblich kürzer, da beide Städte in Ontario liegen. Entlang der Zugstrecke wachsen viele Bäume und wir gelangten von einem kleinen Ort zum folgenden. Die Verspätung wuchs zwar von einer Viertelstunde auf 40 Minuten an, doch das war überschaubar.
FF: Wurdest du in Ottawa erwartet?
Ottawa
DB: Mein Schulkamerad Rolf, mit dem ich die ganze Schulzeit inklusive einem Jahr Kindergarten durchlief, riet mir, seine Schwester zu kontaktieren, wenn ich nach Ottawa komme. Karin lebt schon seit langer Zeit mit ihrem Mann Dave in Kanada. Sie haben mich eingeladen, in Ottawa bei ihnen zu übernachten. Da wir gleiche Interessen haben, gaben sie mir nützliche Tipps weiter und erzählten mir von ihren vielen Reisen. Wir verloren uns jeden Abend in angeregte Diskussionen und Erzählungen über diverse Themen.
FF: Welche Sehenswürdigkeiten hast du dir in Ottawa angeschaut?
DB: Das kanadische Naturmuseum, bei dem ich die Abteilungen der Erdgeschichte und der Prähistorie genauer betrachtete. Die umfangreiche Nationalgalerie Kanadas, das sogar einige Stücke berühmter Maler präsentiert. Die Ottawa-Kunstgalerie, die eher klein ist, eine Sammlung ausstellt und wechselnde Gegenwartskunst zeigt.
FF: War das alles?
DB: Ich habe mir für jedes einen Tag reserviert und hinterher bin ich durch die Strassen flaniert, besuchte Parks und liess mich durch die verschiedenen Viertel treiben.
FF: Wie war die Zugfahrt nach Montréal?
DB: Überraschenderweise rollten wir pünktlich los. Doch als wir durch die vielen Landwirtschaftsgebiete knatterten, wuchs die Verspätung an. Kurz vor dem Bahnhof blieben wir stecken wegen eines Signalausfalles.
FF: Wie gefällt dir Montréal?
DB: Ich weiss nicht, ob es am französischen Flair liegt oder Zufall ist. Montréal verwirrt schon bei der Ankunft. Ich kaufte mir eine Karte für den ÖV, doch der erste Bus fuhr mir vor der Nase weg und der zweite Bus, den ich zu nehmen plante, akzeptierte diese Karte nicht. Genervt kehrte ich zurück und meldete das der Verkaufsstelle. Diese meinte, dass ich für diesen Bus eine spezielle Kate und einen hohen Preis zahlen solle. Es stellte sich heraus, dass dies der Flughafenbus war, der aber vom Flughafen zum Depot fährt. Nach dieser Odyssee gelangte ich mit einem Fussmarsch zu meinem Gastgeber Garnet.
FF: Hat er auf dich gewartet?
Montréal
DB: Ich habe ihm ständig mitgeteilt, wo ich wieder stecken blieb. Er nahm mich gleich mit zu einem Spaziergang durch die Altstadt und zum Hafen. Wir plauderten bis spätabends und erzählten uns Schilderungen aus unseren Leben. Garnet war Lehrer und später Flugassistent. Dabei kam er um die Welt und sammelte Geschichten.
FF: Bist du zum Mont Royal hoch gewandert, wo die Stadt den Namen herhat?
DB: Gleich am nächsten Tag nutzte ich das heitere warme Wetter und spazierte durch den Wald. Ich genoss Aussichten auf die Stadt, indessen einige Aussichtsplätze schon überwuchert waren. Abends tauschte ich wieder Erzählungen mit Garnet aus. Am folgenden Tag verabschiedete ich mich von einem erheblich faszinierenden Menschen. Wir hätten es verstanden, lange zu diskutieren, doch ihm kam etwas dazwischen. Somit machte ich mich auf meine stinkenden Socken und nistete mich für die weitere Zeit in einem chaotischen Hostel ein. Nachmittags durchstreifte ich das McCord Steward Museum, das ständig wechselnde Expositionen zeigt. Momentan ist eine ausserordentlich informative Schau über die Geschichte der ersten Bevölkerung und deren Beschneidung der Menschenrechte zu betrachten. Daneben sind Porträts und Modefotografien diverser Fotografen zu sehen. Die dritte Präsentation befasst sich mit den ungenannten schwarzen Frauen aus der Pionierzeit.
FF: Welche weiteren Ausstellungen hast du besucht?
DB: Den Sonntag widmete ich dem Kunstmuseum. Das ist so umfangreich, dass es den ganzen Tag braucht, um alles zu sehen. Zur Verwirrung trägt aber bei, dass kein Raumplan erhältlich ist, nur ein grober Plan der drei Häuser liegt auf. Die Gebäude sind so verwinkelt, dass man so leicht einen Teil übersieht.
FF: Hat es sogar einmal geregnet?
DB: Der Montag war feucht. Ich besuchte die «World Press Photo» - Exposition (Weltpressefoto-Ausstellung) der besten Pressefotos aus dem Jahr 2023. Für einige Fotos waren die Fotografen abgebrüht, bei anderen riskierten sie ihr Leben und weitere zeigten faszinierende Zusammenhänge. Nachmittags hatte ich eine spontane Einladung von Denis zum Tee angenommen und fuhr dazu mit dem Zug über den St. Lorenz Fluss auf die Südseite.
FF: Welchen Eindruck hast du von Montréal?
DB: Ausser, dass mich die Stadt ständig versucht zu verwirren, gibt es Stadtteile, die mich an Lausanne erinnern, weitere Ortsteile, die ich so bisher nie gesehen habe und Viertel, die überall gleich aussehen. Sonderbar war, als ich zur Post stiefelte, hatten beide Filialen in derselben Strasse keine Elektrizität, obwohl alle anderen Geschäfte Strom hatten.
FF: Wie war deine letzte Zugreise von Montréal nach Québec?
Québec
DB: Die führte wieder durch Landwirtschaftsgebiet in Hülle und Fülle. Nur der Kauz am Buskartenschalter in Québec verstand mich ums Verrecken nicht und verwies mich auf eine unübersichtlich ausgedruckte Preisliste. Mit Nachhaken lud er meine Busfahrkarte trotzdem auf. Der Bus kam dann, wann er gedachte, und brachte mich zu meinem Gastgeber Daniel.
FF: Welche Sehenswürdigkeiten stellst du uns aus Québec vor?
DB: Die folgenden zwei Tage waren regnerisch. Darum verzog ich mich ins Kunstmuseum und am nächsten Tag ins Museum der Zivilgeschichte. Zwischendurch besuchte ich Kunstgalerien, die hier übermässig vertreten sind. Am letzten Tag kam die Sonne zurück und ich wanderte einige Kilometer durch die Stadt. Ich liess es mir nicht nehmen kurz mit den Füssen in den Sankt-Lorenz-Strom hineinzustehen.
FF: Von wem wurdest du abends abgeholt?
DB: Vor sieben Jahren, als ich durch Xinjiang in China radelte, hat mich Anik in Ürümqi eingeladen, bei ihr zu übernachten. Nach einiger Zeit als Lehrerin in verschiedenen Ländern ist sie nach Québec zurückgekehrt und hat mich erneut zu Gast gebeten. Wir fuhren in die dörfliche Gegend, wo sie in Beaulac-Garthby ein kleines Häuschen bewohnt. Stürmisch wurden wir begrüsst von ihren zwei Corgis Hunden. Fünf knuddelige Welpen wuselten kurz darauf um meine Füsse herum.
FF: Was habt ihr unternommen?
DB: Wir besuchten eine Kunstausstellung in der Kirche mit lokalen Künstlern, fuhren zu einem ehemaligen Wasserwerk oder einer hübschen kleinen Schlucht, um mit den Hunden zu spazieren. Wir genossen die herbstlichen Laubwälder, sassen herum und kraulten die Hunde, die das wiederum ausgiebig genossen. Wir hatten uns eine Menge zu erzählen und die Zeit verging im Fluge. Nach zwei Tagen brachte sie mich schon wieder zum Flughafen zurück und meine Reise in Kanada kam dem Ende entgegen.
FF: Gab es das übliche Prozedere bei der Sicherheitskontrolle?
Rückflug
DB: Ganz klar. Die verstehen es schlichtweg nicht, dass es sogar nach mehrmaligem Überprüfen bei mir nichts Verdächtiges zu finden gibt. Der Flug über den Atlantik war mit sechs Stunden vergleichsweise kurz, um womöglich eine Mütze Schlaf zu holen. Der Flug hob eine halbe Stunde nach Mitternacht ab und die Stewardessen servierten bald darauf ein Abendessen. Vier Stunden später kam die Crew mit dem Morgenessen vorbei und rasch hierauf landeten wir in Paris, wo es schon halb eins nachmittags war.
FF: Wie wurdest du in Paris empfangen?
DB: Einigermassen eisig, nicht was die Temperatur anbelangt, aber den Passkontrolleur. Sogar beim Transit braucht man erneut eine Sicherheitsprüfung durchzustehen mit demselben langen Prozedere. Folgend obendrein eine Passkontrolle – für Transit? Ich weiss nicht, was diesen Miesepeter am Morgen verstimmt hatte. Der Sauertopf hatte offenkundig einen Konflikt mit meinem Umschlag um den Pass und fauchte mich an, ob ich ein Problem hätte. «Nö, du hast offensichtlich ein Problem damit», gab ich zurück. Der hatte vor mich weiter zu provozieren, ob ich Probleme mit der Polizei hätte. «Das wohl nicht, nur mit Würstchen, die eine Uniform brauchen, um ihre Macht zu missbrauchen.»
FF: Hast du gesagt?
DB: Nur gedacht, ich liess den plappern, schnappte mir den Pass und adieu.
FF: Wie war der Flug nach Zürich?
DB: Erst gab es eine Flughafenrundfahrt im Flieger und einen Ausflug ins Grüne, wo die Startpiste steht. Der Flug war diesmal sehr kurz. Kaum waren wir oben, gab es ein mickriges Sandwich und bald darauf sanken wir wieder. Ich genoss Aussichten auf die Berner Alpen, Basel und den Rhein. Nach dem Flug war ich überrascht, dass jetzt keine Passkontrolle passiert werden muss. Darum war diese in Paris bei der Aussengrenze des Schengenraumes und einem grantigen Polizisten.
FF: Wurdest du abgeholt?
Zurück in der Schweiz